Neurologie
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose in Zahlen
Laut der bisher umfassendsten globalen Studie leiden heute weltweit 2,8 Millionen Menschen an Multipler Sklerose (MS) (35,9 pro 100.000 Einwohner). Das bedeutet, dass alle 5 Minuten bei jemandem auf der Welt MS diagnostiziert wird1. Daraus ergeben sich täglich ca. 300 neu diagnostizierte MS-Patienten auf der ganzen Welt. In Deutschland sind derzeit mehr als 250.000 Menschen von MS betroffen.2
Multiple Sklerose – die „Krankheit der 1000 Gesichter“
Multiple Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die nicht vorhersehbar ist. Die Krankheitssymptome entstehen durch Demyelinisierung sowie Abbau von Nervenfasern und -zellen. Die Signalübertragung funktioniert nicht mehr zuverlässig. Wenn die Nervenfaser selbst zerstört ist, bleibt die Reizweiterleitung völlig aus.
In den meisten Fällen verläuft MS schubförmig. Sobald die Entzündung abklingt, spielt sich die normale Funktion oft wieder ein, denn der Körper kann die Myelin-Schicht häufig noch reparieren. Wenn jedoch die Nervenfaser angegriffen oder zerstört ist, kommt es zu bleibenden Schäden, denn Nervenzellen können sich zumeist nicht mehr regenerieren. Das Gewebe vernarbt. Daher kommt auch die Bezeichnung „Multiple Sklerose“: „multiple“ für mehrere Stellen, „Sklerose“ für die Vernarbungen.

Was sind die Symptome von MS und bei wem tritt die Erkrankung auf?
Die Symptome reichen von Taubheit und Kribbeln bis hin zu Blindheit und Lähmung, und es gibt derzeit noch keine Heilung für MS. Der Verlauf, der Schweregrad und die spezifischen Symptome von MS bei einer einzelnen Person verlaufen bei jedem Patienten individuell und können noch nicht vorhergesagt werden, aber Fortschritte in Forschung und Behandlung führen zu einem besseren Verständnis von MS:
- Bei den meisten Menschen wird MS im Alter zwischen 20 und 50 Jahren diagnostiziert (Durchschnittsalter: 32)
- Frauen sind dreimal häufiger von MS betroffen als Männer1
Die Konfidenzwerte für die einzelnen Länder wurden anhand von vier Variablen ermittelt: (1) Größe der von der Datenquelle erfassten Population, von 0, wenn diese unbekannt ist, bis 5, wenn das ganze Land abgedeckt ist; (2) Jahr der Datenerhebung nach Quelle, von 0, wenn diese vor 2009 erfolgte, bis 5, wenn sie zwischen 2017 und 2019 erfolgte; (3) Art der Datenquelle, von 0, wenn diese unbekannt ist, bis 5, wenn es sich um eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit Peer-Review handelt; (4) zusätzliche Punkte wurden für die Erfüllung bestimmter methodenbezogener Kriterien vergeben: Verwendung der McDonald-Kriterien von 2017, Durchführung eines Validierungsschritts oder Verwendung mehrerer konsistenter Datenquellen für die Schätzung. Die Konfidenzwerte wurden auf der Grundlage der Gesamtpunktzahl unter Verwendung der folgenden Schwellenwerte vergeben: ⩽5 = sehr niedrig, 6-10 = niedrig, 11-15 = mittel, ⩾16 = hoch.
Was ist die Ursache für MS?
Vermutlich müssen verschiedene Faktoren zusammentreffen, damit die Erkrankung auftritt. Nach aktuellen Erkenntnissen spielt das Immunsystem eine zentrale Rolle. Bei MS richtet sich der Abwehrmechanismus gegen bestimmte körpereigene Zellen.
Warum der Körper so reagiert, wird weiterhin erforscht. Möglicherweise gibt es eine genetische / erbliche Komponente für eine Neigung zu MS, da die Erkrankung häufiger auftritt, wenn sie bereits bei einem eng verwandten Mitglied der Familie bekannt ist oder wenn der Patient selbst eine andere Auto-Immunkrankheit hat wie z.B. eine entzündliche Darmerkrankung, Rheuma oder Diabetes mellitus Typ 1.
Auch Umweltfaktoren werden als Auslöser diskutiert: ein Übermaß an Hygiene in den Industrieländern, Spätfolgen viraler oder bakterieller Erkrankungen, Mangel an Sonneneinstrahlung oder geringe Vitamin-D-Zufuhr. Die Entwicklung der MS ist von Patient zu Patient unterschiedlich und nicht vorhersagbar. Nur in wenigen Fällen (<5%) kommt es innerhalb weniger Jahre zu schweren Behinderungen.
Kann MS behandelt werden?
Wir wissen heute, dass eine frühzeitige und konsequente medikamentöse Therapie den Krankheitsverlauf in den meisten Fällen abmildern oder sogar aufhalten kann. Vermutlich stehen Patienten in einer Lebensphase, in der Sie wichtige und grundlegende Lebensentscheidungen treffen: Start ins Berufsleben, Partnerwahl, Familienplanung. Die Krankheit gefühlsmäßig und gedanklich zu verarbeiten, ist für Patienten nicht leicht. MS macht die Zukunft weniger planbar, weil Schübe jederzeit möglich sind. Schübe zu vermeiden, sollte daher das wichtigste Ziel sein, um die Mobilität und die Lebensqualität der Patienten so lang wie möglich zu erhalten.
Obwohl Multiple Sklerose noch nicht heilbar ist: mit Medikamenten können MS-Patienten einen großen Teil der Schübe verhindern. Durch eine frühe und effektive Behandlung können Patienten die Zukunft mitbestimmen und Ihre Arbeitsfähigkeit und Ihre Teilnahme am sozialen Leben so lang und so gut wie möglich erhalten.
Die Therapie sollte individuell zu dem jeweiligen Patienten passen und seine Situation und Lebensplanung berücksichtigen. Nur dann kann die Behandlung gut in den Alltag integriert und die bestmögliche Lebensqualität bewahrt werden.
Referenzen
- Walton C et al. Rising prevalence of multiple sclerosis worldwide: Insights from the Atlas of MS, third edition, Volume: 26(14): 1816-1821; Online unter: https://doi.org/10.1177/1352458520970841 (zuletzt abgerufen am 10. Mai 2022)
- Multiple Sklerose: MS-Therapie bei Älteren sowie Kindern und Jugendlichen | PZ – Pharmazeutische Zeitung, Online unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/was-ist-neu-in-der-therapie-129721/seite/8/ (zuletzt abgerufen am 10. Mai 2022)
Myasthenia gravis
Myasthenia gravis (MG) ist eine potenziell schwerwiegende neuromuskuläre Autoimmunerkrankung, die durch Schwäche und leichte Ermüdbarkeit der Skelettmuskulatur gekennzeichnet ist und durch Auto-Antikörper gegen nikotinische Acetylcholinrezeptoren (AChRs) auf der postsynaptischen Membran an der neuromuskulären Verbindungsstelle verursacht wird.1,2
Myasthenia gravis führt dadurch zu nicht-kontinuierlich ausgeprägten Symptomen, bei denen einzelne Muskeln oder Muskelgruppen abwechselnd geschwächt sind oder sich gar nicht mehr bewegen lassen (insbesondere im Gesicht). Die Schwäche tritt ganz spontan auf oder nimmt im Tagesverlauf langsam zu. Wie genau es zu der Störung der Signalübertragung kommt, ist noch ungeklärt. Sie basiert jedoch meist auf der Produktion von bestimmten Antikörpern, die sich gegen körpereigene Strukturen richten (Auto-Antikörper).
Myasthenia gravis ist eine relativ seltene Erkrankung. Im Durchschnitt erkranken etwa 0,25 bis 2 pro 100.000 Menschen daran. Generell tritt Myasthenia gravis in jedem Lebensalter auf, aber nur etwa zehn Prozent der Erkrankten sind jünger als 16 Jahre. Es werden verschiedene Arten von Myasthenia gravis je nach Beginn der Erkrankung unterschieden. Die generalisierte Form mit frühem Beginn unter 45 Jahren bezeichnet man als „early-onset“ Myasthenia gravis (EOMG), während ein Beginn über 45 Jahren als „late-onset“ Myasthenia gravis (LOMG) bezeichnet wird. In den letzten Jahren hat die Anzahl der gemeldeten Erkrankungen stark zugenommen. Dieser Anstieg ist Wissenschaftlern zufolge aber nicht auf eine Zunahme der tatsächlichen Erkrankungsfälle, sondern vielmehr auf den höheren Bekanntheitsgrad von Myasthenia gravis zurückzuführen.
- Sie ist die häufigste Störung der neuromuskulären Verbindungsstelle2
- Ihre Prävalenz liegt im Vereinigten Königreich bei 2-7/10.000 Einwohnern, und im zentralen und westlichen Virginia bei etwa 1.5/10.0002
- In einer sehr umfangreichen populationsbasierten Studie in Griechenland betrug die durchschnittliche Jahresinzidenz 7,40/Million Einwohner/Jahr2
- MG kann in jedem Alter auftreten, jedoch lassen sich zwei Inzidenzgipfel feststellen, wobei der erste in der dritten Dekade (vorwiegend bei Frauen) und der zweite in der sechsten und siebten Dekade (vorwiegend bei Männern) auftritt.2
- MG kann nach dem Alter des Krankheitsbeginns, dem Vorhandensein oder Fehlen von Acetylcholinrezeptor-Autoantikörper, dem Schweregrad oder der Ätiologie der Krankheit klassifiziert werden2
Klinische Besonderheiten2:
- Die Symptome können sich verschlimmern und treten meist bei hoher Belastung auf
- Eine Augenmuskelschwäche ist in der Regel die Erstmanifestation und kann bei etwa 10 Prozent der Patienten das einzige Anzeichen während des gesamten Krankheitsverlaufs sein
- Die Schwäche geht von den Augenmuskeln aus und breitet sich in kraniokaudaler Richtung auf andere Muskeln aus
- In gravierenden Fällen kann es zu einer respiratorischen Insuffizienz kommen, was eine Intubation und eine mechanische Beatmung erforderlich macht
Referenzen
- Taylor, P. Anticholinesterase agents. Goodman & Gilman’s the pharmacological basis of therapeutics. Twelfth edition. New York, Macmillan. 2011:239-254.
- Thanvi BR, Lo TC. Update on myasthenia gravis. Postgrad Med J. 2004;80(950):690-700.
NON-2023-6240
Neuropathische Schmerzen
Neuropathische Schmerzen sind Schmerzen, die als direkte Folge einer Schädigung oder Läsion des somatosensorischen Systems auftreten.1 Sie können sowohl postoperativer Genese sein als auch als Begleiterscheinung verschiedenster pathologischer Bedingungen (Alkoholabusus, Chemotherapie, Diabetes, Gürtelrose u.a.) auftreten und sich je nach Lokalisation (zentral/peripher) und Typ der Symptomatik sehr stark unterscheiden. So äußern sie sich z. B. als Gesichtsschmerz, Phantomschmerz, Glossopharyngeusneuralgie, schmerzhafte diabetische periphere Neuropathie, Trigeminusneuralgie oder postherpetische Neuralgie. Typische Symptomatiken sind häufig veränderte Hautsensibilität bzgl. Druck und Temperatur (über-, unter-, mischempfindlich), brennende Spontanschmerzen und einschießende Schmerzattacken.2 Oft haben diese Schmerzen einen ausstrahlenden Charakter. Patienten mit neuropathischen Schmerzen nach Gürtelrose (postzosterische Neuralgie) empfinden schon das Überstreifen von Kleidung im betroffenen Areal als unangenehm bzw. schmerzhaft (Allodynie bzw. Hyperalgesie3).
Epidemiologie3
- Neuropathische Schmerzen betreffen circa 6,9 bis 10 Prozent der Bevölkerung. Mit zunehmendem Alter wird eine steigende Prävalenz beobachtet.
- Bei bis zu 35 Prozent aller Schmerzerkrankungen kann eine neuropathische Schmerzkomponente nachgewiesen werden. Der Anteil zentraler Neuropathien bei Rückenmarksverletzungen wird auf 30 Prozent geschätzt, bei Patienten mit einer multiplen Sklerose auf 20 Prozent.
- Nach Amputationen von Gliedmaßen verspüren bis zu 60 Prozent der Betroffenen Schmerzen im Bereich des nicht mehr vorhandenen Körperteils (sogenannte Phantomschmerzen). Bei Diabetes mellitus leiden bis zu 34 Prozent der Patienten an einer schmerzhaften Polyneuropathie.
Diagnostik1
- Testung der Hautsensibilität (Druck, Temperatur, Vibration)
- Nachweis oder Ausschluss einer Nervenverletzung oder -erkrankung , Unterscheidung nozizeptive vs. neuropathische Schmerzen
Therapie2
- Multimodales Behandlungskonzept im interdisziplinären Team. Kombination aus medikamentösen Maßnahmen, psychologisch-verhaltenstherapeutischen Verfahren und/oder Bewegungstherapie
- Primärer Fokus sollte auf der Behandlung der Ursache liegen
- Prophylaxe neuropathischer Schmerzen durch möglichst frühe und intensive Therapie
Referenzen
- Schlereth T et al. Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen 52k-Leitlinie, 2019, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. URL: https://dgn.org/leitlinie/diagnose-und-nicht-interventionelle-therapie-neuropathischer-schmerzen (letzter Zugriff: 08.02.2024)
- Binder A. Baron R. The pharmacological therapy of chronic neuropathic pain. Dtsch Arztebl Int 2016;11 3(37):616-625
- Neuropathische Schmerzen, 2021, URL: https://www.gelbe-liste.de/schmerztherapie/neuropathische-schmerzen (letzter Zugriff: 08.02.2024)
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