Sildenafil rezeptfrei in der Apotheke? Das könnte bald möglich sein
Das Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav) stellte auf dem Hauptstadtkongress ein Gutachten vor
Noch ist der Wirkstoff Sildenafil gegen erektile Dysfunktion (ED) verschreibungspflichtig, doch das könnte sich bald ändern, wie ein Symposium von Viatris auf dem Hauptstadtkongress gezeigt hat.
Lebhafte Diskussion auf dem Hauptstadtkongress: Moderatorin Dr. Linda Kerkemeyer, Dr. Tobias Jäger, Holger Seyfarth, Dr. Matthias Arnold (v.r.)
Das Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav) stellte auf dem Hauptstadtkongress ein Gutachten vor, welches die Vorteile für einen sogenannten OTC-Switch und die Erfahrungen aus anderen Ländern darlegt, in denen Sildenafil bereits in der Apotheke ohne Rezept gekauft werden kann.
„Einige Länder wie das Vereinigte Königreich setzen auf eine intensive Beratungspflicht der Apotheken bei der Abgabe von Sildenafil“, erklärte Dr. Matthias Arnold, Gesundheitsökonom beim inav. Dieser Ansatz sollte auch in Deutschland geprüft werden. „Die Analyse gibt gute Hinweise, dass sowohl Patienten als auch das Gesundheitssystem von einem OTC-Switch von Sildenafil profitieren würden. Es ist somit gesundheitspolitisch auf jeden Fall zu erwägen, diese Chancen zu nutzen,“ sagte er.
In Deutschland suchen derzeit nur ca. 30 Prozent der Männer mit Erektionsstörungen den Arzt auf, weil sie zu diesem Thema das Gespräch scheuen und es einfacher finden, ohne ärztlichen Rat illegal im Internet zu bestellen. Darin liegt nicht nur die Gefahr, ein gefälschtes Arzneimittel zu erhalten, sondern dass eine zugrundeliegende Erkrankung unerkannt bleibt. Der Vorteil einer möglichen Entlassung aus der Verschreibungspflicht ist damit zum einen für den Patienten gegeben, der in der Apotheke beraten wird, zum anderen für das Gesundheitswesen, da diese Beratung kostenfrei ist.
Die Entstigmatisierung der erektilen Dysfunktion sei so wichtig, sagte Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Jäger von der urologischen Praxisklinik Essen. „Zum einen, weil wir inzwischen wissen, dass sie keineswegs nur bei älteren Männern vorkommt, sondern auch bereits jüngere betreffen kann. Zum anderen sollten die Betroffenen ermutigt werden, sich behandeln zu lassen, um ihre sexuelle Gesundheit zu verbessern, aber auch um auslösende Erkrankungen zu erkennen und Folgeerkrankungen zu vermeiden.“
So erklärt sich, was zunächst paradox klingt: In Ländern, wo Sildenafil nicht mehr verschreibungs-, sondern apothekenpflichtig ist, gehen mehr betroffene Männer zum Arzt. Durch das niedrigschwellige Beratungsangebot in der Apotheke werden Männer darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Problem womöglich gar nicht nur die Erektion ist, sondern auch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder andere Komorbiditäten dahinterstecken können. Über die Beratung in der Apotheke finden Betroffene schneller einen Weg zum Arzt und eine mögliche Grunderkrankung kann frühzeitig diagnostiziert werden.
Auch die Apotheken signalisieren Zustimmung zu diesem Ansatz. „Wir bieten als Apotheker:innen bereits seit vielen Jahren erfolgreich Beratungsleistungen für Arzneimittel, die aus der Verschreibungspflicht entlassen wurden, an“, sagte Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes. „Das ist Teil unserer täglichen Aufgaben in der Apotheke. Wir sind überzeugt davon, dass wir durch den einfacheren Zugang zu Sildenafil für Betroffene und durch unsere ausdrückliche Empfehlung für eine ärztliche Konsultation zu einer insgesamt besseren Versorgung unserer Patienten beitragen.“
Der Sachverständigenausschusses hat sich zwar gegen den OTC-Switch ausgesprochen, die Entscheidung über einen OTC-Switch fällt jedoch das Bundesgesundheitsministerium, ohne an die Empfehlung gebunden zu sein.
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NON-2023-6665