Warum es in Deutschland DiGA gibt

Neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten durch Software, Sensorik und Medizintechnik

Deutschland hat als erstes Land auf der Welt die Möglichkeit geschaffen, Apps auf Rezept zu verordnen. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) führte der Gesetzgeber im Jahr 2019 den Rahmen für diese innovative Ergänzung in der Patientenversorgung und den offiziellen Terminus der Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) ein.

„Wir werden das erste Land auf der Welt sein, in dem die gesetzlichen Kassen das Ganze finanzieren, wenn es einen Mehrwert gibt“, erklärte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU/CSU).1 „Wir zeigen damit für viele, viele andere, wie man es machen kann. Und, ja, das ist auch ein Stück Neuland.“

Die Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist, messbar zu machen, welche Apps einen Mehrwert für die Patienten bieten, denn nicht alle der in großer Zahl auf den Markt kommenden Apps haben einen Zusatznutzen. „Die Wahrheit ist doch, dass es heute überhaupt keine Orientierung gibt“, monierte Spahn. Für die Patienten sei die Situation völlig unüberschaubar. „Keiner sortiert mal: Welche App im Gesundheitswesen hat tatsächlich einen Mehrwert? Wo ist nicht nur schönes Marketing, nicht nur Gimmick, sondern wo ist ein tatsächlicher Nutzen für den Patienten in der Versorgung?“, so der Minister.

Die Chance der digitalen Gesundheitsanwendungen liegt darin, neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zu erschließen.2 Diese eröffneten sich durch die mobilen Technologien wie Smartphones, die Software, Sensorik und Medizintechnik die diese in einer für die Patienten leicht zugänglichen weise verknüpfen können. Der Einsatz mobiler Anwendungen habe daher das Potential, die Gesundheitsversorgung und die Medizin nachhaltig und positiv zu verändern, erklärt das Bundesgesundheitsministerium.

Bis Januar 2023 sind nun bereits insgesamt rund 200.000 DiGA verordnet worden.3 Dies sei kein Tsunami, sagte der Sprecher der Arbeitsgruppe für Digitale Gesundheitsanwendungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Prof. Martin Möckel. Ein Grund sei, dass Ärzten vielfach noch das Wissen um die Funktionsweisen und Wirksamkeit von DiGA fehle. Möckel glaubt, dass es künftig eine zweite Generation DiGAs geben wird, die etwa mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz mehr kann als die erste.

Die Unternehmensberatung McKinsey lobt, dass Deutschland mit dem Vorstoß zu verschreibungsfähigen Apps eine internationale Vorreiterrolle einnehme.5 „Da schauen auch einige Länder nach Deutschland und möchten diesen Prozess auch für sich aufgreifen, etwa Belgien und Frankreich“, sagte McKinsey-Partnerin Co-Autorin Laura Richter bei der Vorstellung des E-Health Monitors. Deutschland habe bei der Digitalisierung insgesamt einen großen Nachholbedarf. „Aber an manchen Stellen sind wir auch wirklich Vorreiter und Vorbild.“

In einer Befragung unter 1000 Personen ist dem E-Health Monitor 2022 zufolge gezeigt worden, dass die Patientenakzeptanz in Deutschland hoch ist.4 76 Prozent der Befragten wären bereit, eine mobile Health-Lösung zu verwenden. Eine Schlüsselrolle komme dabei der Ärzteschaft zu, die digitalen Anwendungen allerdings oft kritisch gegenüberstehe oder sich wenig mit den Angeboten beschäftigt habe, schreibt McKinsey.

Die Adhärenz der Nutzer von DiGA ist hoch: Bei einer Befragung der Techniker Krankenkasse gaben 84 Prozent der 244 befragten Nutzer an, dass sie ihre verordnete DiGA mindestens einmal pro Woche anwenden, mehr als ein Drittel nutzt sie sogar täglich.6 63 Prozent bestätigten, dass ihnen die DiGA dabei geholfen hat, ihre Beschwerden und Krankheitssymptome zu lindern.

DiGA könnten medizinische Behandlungen also sinnvoll ergänzen oder Wartezeiten überbrücken – vorausgesetzt, die Ärzte sprechen mit ihren Patienten über Erfolge und Misserfolge bei der Anwendung, meint das Portal pharma-fakten.de.7 Die Initiative hin zu einer Verschreibung gehe bislang fast immer von den verordnenden Ärzten aus: „Ich werde in meiner Praxis nie auf eine DiGA angesprochen, sondern ich schlage sie immer von meiner Seite aus vor“, berichtete Hausärztin Dr. Irmgard Landgraf beim Hauptstadtkongress 2022 in Berlin.7 „In der Regel sind mir meine Patienten dafür hinterher sehr dankbar.“

 

Referenzen:

  1. Rede des Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn, 7. November 2019. https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-des-bundesministers-fuer-gesundheit-jens-spahn--1689998 (zuletzt aufgerufen am 11. April 2023)
  2. Bundesministerium für Gesundheit. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/online-ratgeber-krankenversicherung/arznei-heil-und-hilfsmittel/digitale-gesundheitsanwendungen.html (zuletzt aufgerufen am 5. April 2023)
  3. Gesundheitsstadt-Berlin.de. Digitale Gesundheits-Apps: Ärzte zögern noch bei der Verschreibung. 24. Februar 2023. https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/digitale-gesundheits-apps-aerzte-zoegern-noch-bei-der-verschreibung-16615/ (zuletzt aufgerufen am 4. April 2023)
  4. E-Health Monitor 2022. https://www.mckinsey.com/de/news/presse/ehealth-monitor-2022 (zuletzt aufgerufen am 5. April 2023)
  5. Digitalisierung im Gesundheitswesen nimmt Fahrt auf. https://www.wiwo.de/technologie/digitalisierung-der-wirtschaft/studie-digitalisierung-im-gesundheitssystem-nimmt-fahrt-auf/27811934.html (zuletzt aufgerufen am 5. April 2023)
  6. DiGA-Report 2022. S. 108. https://www.tk.de/resource/blob/2125136/dd3d3dbafcfaef0984dcf8576b1d7713/tk-diga-report-2022-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 5. April 2023)
  7. Pharma Fakten. Digitale Gesundheitsanwendungen: Was DiGAs wirklich können. https://pharma-fakten.de/news/1256-digitale-gesundheitsanwendungen-was-digas-wirklich-koennen/ (zuletzt aufgerufen am 5. April 2023)

 

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